Deutsche Spuren auf den Kei Inseln
Donnerstag, 22.08.2019
Herzlich willkommen
Wer im 19. Jahrhundert auf den Kei Inseln im östlichen Indonesien ankam, konnte sich auf etwas gefasst machen. Der große Alfred Russel Wallace, einer der Väter der Evolutionslehre, kam im Januar 1857 mit einem kleinen Lastensegler in Tual an und verewigte diese erste Begegnung mit den Kei-Insulanern in seinem Hauptwerk
Der Malayische Archipel. Die Heimath des Orang-Utan und des Paradiesvogels. Reiseerlebnisse und Studien über Land und Leute.
Wallace schrieb (hier zitiert nach der deutschen Erstauflage von 1869):
„Die Kei-Leute kamen singend und schreiend heran, tauchten ihre Ruder tief ins Wasser und warfen Wolken von Schaum auf; als sie sich näherten, standen sie in ihren Kanus auf und ihr Geschrei und ihre Gestikulationen vermehrten sich noch; und als sie an unsere Seite gekommen waren, kletterte der größte Teil von ihnen, ohne erst um Erlaubnis zu fragen, und ohne auch nur einen Moment zu zögern, auf unser Deck, gerade als wenn sie von einem gefangenen Schiff Besitz ergreifen wollten.
Es begann dann eine Szene unbeschreiblicher Verwirrung. Diese vierzig schwarzen, nackten, hässlichen Wilden schienen vor Freude und Erregung berauscht. Nicht einer konnte auch nur einen Moment still sein. …
Schulknaben an einem unerwarteten Feiertage, Irländer auf einem Jahrmarkt oder Seekadetten am Lande geben nur eine schwache Vorstellung von der übermäßigen, tierischen Freude dieser Menschen.“
28 Jahre später kam der Deutsche Gottfried Langen, der jüngere Bruder des schon seit einigen Jahren in Tual lebenden Adolf Langen in Tual an.
Er hatte die zweieinhalb Monate dauernde Reise auf sich genommen, um seinen Bruder beim Aufbau eines Sägewerks auf den Kei Inseln zu unterstützen. Am 11. Juni 1885 beschreibt er seine überraschende Begrüßung in Tual:
„Der Hafenmeister traf in Begleitung von ungefähr 30 inländischen Ruderbooten ein, von denen ein jedes außer 20 – 40 Mann den Häuptling des betreffenden Distriktes an Bord hatte. Die Boote hatten reichen Flaggenschmuck. Im Bug der Boote sahen wir Diener in Gala gekleidet, die unter eintönigem Trommellärm Tänze aufführten. Sie schwangen dabei unter den unmöglichsten Windungen des Körpers lange Hiebsäbel. Das ganze Bild glich einer Flottendemonstration im Kleinen.“
(Die Key- oder Kei-Inseln des O.I. Archipelago, S. 14)
Im Nachhinein stellte sich dann allerdings heraus, dass sich die Kei-Insulaner vertan hatten. Sie hatten das Schiff von Gottfried Langen mit dem Dampfer des Regenten von Ambon verwechselt, dessen Ankunft ebenfalls um diese Zeit erwartet wurde.
Heute nur noch nett (zumindest meistens …)
Wer heute auf dem Flughafen Langgur auf den Kei Inseln landet, wird dagegen von nett kostümierten Mädchen begrüßt und darf sich im Flughafen in eine bereit liegendes Gästebuch eintragen.
Das ist zwar auch irgendwie besonders, aber natürlich längst nicht mehr so spektakulär wie früher. Insbesondere auf die zur Schau gestellte Aggressivität bei der Begrüßung von Fremden verzichtet man neuerdings lieber, um empfindsame Touristen nicht zu sehr zu erschrecken.
Man kann aber auch noch anders: Das musste im April 2012 die Mannschaft der SMY Tambora erleben, als man ohne die Erlaubnis der Einheimischen eingeholt zu haben, vor einer der zum Kei Archipel gehörenden Inseln einen Tauchgang durchführen wollte.
Während die Taucher und ein Teil der Mannschaft unter Wasser waren wurde das Schiff von mit Pfeil und Bogen bewaffneten Eingeborenen angegriffen. Den Angreifern gelang es die Tambora zu kapern und die Besatzung als Geiseln mitzunehmen. Erst nach Zahlung eines Lösegeldes in Höhe von 15 Millionen Rupien (damals etwa 1.275 Euro) wurde die Crew wieder freigelassen.
Deutsche auf den Kei Inseln
Wie bereits erwähnt hatten sich seit Ende des 19. Jahrhunderts auch einige Deutsche auf den Kei Inseln niedergelassen. der bekanntest unter ihnen war zweifellos der bereits eingangs erwähnte Sägewerkbesitzer Adolf Langen.
Die Kei Inseln waren zu dieser Zeit noch mit dichtem Tieflandschungel bewachsen. Die deutschen Kolonisten hatten es besonders auf Kayu Besi, Eisenholz, abgesehen. Die riesigen Eisenholzbäume wurden mit Hilfe einheimischer Arbeitskräfte im Dschungel gefällt, nach Tual transportiert und dann in der Sägemühle von Adolf Langen zersägt.
Viermal im Jahr kam der Postdampfer vorbei und nahm die zersägten Stämme mit nach Makassar und Batavia, wo das Holz dann verkauft wurde. Die Siedler bedienten sich vorwiegend chinesischer und javanischer Arbeitskräfte, die in einfachen Hütten auf dem Betriebsgelände der Firma in Tual wohnten.
Für einfache Arbeiten heuerte man auch Arbeitskräfte von den Kei Inseln an, obwohl die Deutschen insgesamt keine hohe Meinung von den Einwohnern der Kei Inseln hatten, wie Gottfried Langen in seinem Bericht über seinen Aufenthalt auf den Kei Inseln schreibt:
„Im allgemeinen sind die Keyesen sehr träg und unverlässlich, Eigennutz und ein Hang zum Betrug zeichnen sie unvorteilhaft aus. Die Kinder werden frühzeitig zu allen möglichen Arbeiten herangezogen, aber mit den Jahren wächst auch ihnen die Neigung zum Faulenzen und Nichtsthun, bis sie wieder im höheren Alter von ihrem Nachwuchs zur Arbeit gezwungen werden.“
(Die Key- oder Kei-Inseln des O.I. Archipelago, S. 43)
Schon damals: Religiöse Konflikte
Als konfliktträchtig erwies sich die Ausbreitung des Islam unter der einheimischen Bevölkerung. Um die Mitte des 19. Jahrhunderts gab es nur eine kleine Gruppe von Muslimen unter den arabischen Händlern in Tual. Den großen Rest der Bevölkerung würde man heute als Animisten bezeichnen. Sie hingen ihrem Ahnenglauben an und hatten weder mit dem Islam noch mit dem Christentum viel im Sinn.
Das änderte sich aber als immer mehr Flüchtlinge von den Banda Inseln auf den Kei Inseln eintrafen und sich dort ansiedelten. Sie waren auf der Flucht vor der brutalen Unterdrückung durch die Holländer. Unter ihnen befanden sich besonders viele fanatische Muslime, die auch in Tual damit begannen, die eingeborenen Rajas zum Islam zu bekehren.
Um 1880 herum kam es zu einer Verschwörung von Teilen der islamischen Bewohner Tuals gegen die europäischen Kolonisten, die allerdings durch Verrat eines ebenfalls zum Islam übergetretenen einheimischen Rajas vorgewarnt waren.
Man informierte die holländische Kolonialmacht in Ambon, die auch sofort ein Kriegsschiff nach Tual entsandte. Der Aufstand brach dann auch schnell zusammen und die einheimischen Rajas mussten schwören niemals wieder gegen die Kolonialmacht zu rebellieren.
Katholische Missionare
Als Gegengewicht gegen die aus seiner Sicht zunehmende Islamisierung der Bevölkerung sorgte Adolf Langen in Zusammenarbeit mit der holländischen Kolonialmacht dafür, dass große Teile der einheimischen Bevölkerung von katholischen und protestantischen Missionaren zum Christentum bekehrt wurden.
Während einer Pockenepidemie, die zwischen 1886 und 1887 die Kei Inseln heimsuchte, versorgte Adolf Langen mit einem Proviantschiff die Bewohner von Kei Besar mit Nahrungsmitteln und begann mit einer Impfkampagne.
Seinem Bericht zufolge erlagen etwa 2/3 der Bevölkerung von Kei Besar der Seuche. Er fand Dörfer vor, in denen halb verhungerte Kinder herumliefen, während ihre Eltern noch umbestattet in ihren Hütten lagen oder aber vor der Seuche in den Dschungel geflüchtet waren.
Heute sind etwa 60% der Bewohner der Kei Inseln Christen, 40% sind Muslime. Tual ist stark muslimisch geprägt, während Langgur, die Provinzhauptstadt gleich gegenüber, das Zentrum des christlichen Bevölkerungsteils ist.
Langgur ist vermutlich die einzige Stadt in Indonesien, die ihren Namen einem Deutschen zu verdanken hat. 1889 behandelten katholische Missionare Cholerakranke im Tual gegenüberliegenden Dorf Ohoingur. Zu Ehren von Adolf Langen wurde dieses Dorf später in Langgur umbenannt und ist heute die Provinzhauptstadt der südöstlichen Molukken.